Am Chor der Wäschenbeurener Kirche, ziemlich verdeckt von Büschen, findet sich ein Grabstein mit einer bemerkenswerten Inschrift: O theurste Gattin. Ach! Dein allzufrühes Sterben erschüttert mich in Grund mit unnenbarem Schmerz. Es seynd noch kaum 9 Jahr, daß ich mich thät bewerben um dein so zärtliches mir allzeit treues Herz. Und schon o Gattin, wirst mit deinen seltnen Gaben, mit deiner Zärtlichkeit, die du mir zugedacht, im Frühling deiner Jahr zu noch fünff Kindern begraben. O Schöpfer, Gott und Herr! Wie fühl ich deine Macht? Ach! Wohin wird mich des Grammes-Schmerz verleiten? Doch da Natur und Pflicht Gelaßenheit gebeut, muß ich aus Folgsamkeit als Christ und Mensch vermeiden all Schwermuth, Übermaaß in Traurigkeit und Leyd. Vielmehr solt mich anjezt dein Tugendlohn entzücken, der dir bestimmt ist. Doch was macht mich so feig? Mein betrübter Stand muß meinen Muth ersticken. Es sucht, es bebt die Brust, ich stammle, seufz und schweig. Die Abweichungen von unserer heutigen Rechtschreibung sind nicht sehr gravierend, so dass der Text gut verständlich ist. Nur wenige altertümliche Wörter finden sich: „anjezt“ übersetze ich mit „von jetzt an, nun“, und „gebeut“ bedeutet „gebietet“. Wenn man bei „Grammes–Schmerz“ ein „m“ weglässt, erkennt man das Wort „Gram“. Diese in Stein gemeißelte postume Liebeserklärung gilt Maria Kreszentia, der ersten Gattin des Wäschenbeurener Vogtes Carl Philipp Plicksburg. Diese starb 1777. Aus der Ehe gingen fünf Kinder hervor, die alle im Kindesalter starben, drei davon als Säuglinge. Der unter der Liebeserklärung eingemeißelte Text ist leider nicht mehr komplett erhalten. Dank Josef Kleinknechts 1975 fertiggestelltem, von der Gemeinde 1979 herausgegebenem Wäschenbeurener Heimatbuch (offensichtlich war vor etwa 50 Jahren der Grabstein noch nicht beschädigt) kann der Text rekonstruiert werden: „Zum ewigen Gedächtnüs gegen seine inniglich geliebte Gattin Maria Kreszentia gebohrne Schmidin, welche am 9. Augusty 1777 im 36. Jahr ihres Alters im Herrn seelig entschlafen ist, stiftet dieses Monument Carl Plicksburg, gemeinschaftlicher Vogt zu Wäschenbeuren“. Von 1769 bis 1805 war Carl Philipp Plicksburg gemeinschaftlicher Vogt des Ritterguts Wäschenbeuren, das bis zum Anschluss an Württemberg, 1805, jeweils zur Hälfte im Besitz der Freiherren von Freyberg und der Grafen Thurn-Valsassina und Taxis war. In seinen letzten Dienstjahren, von 1805 bis 1812 fungierte er als Rentamtmann. Im Familienregister wird er vom damaligen Pfarrer „Praeceptus loci“ genannt, was man mit „Befehlshaber des Ortes“ übersetzen kann. Dieser Carl Plicksburg erbaute 1790 ein stattliches Wohn- und Wirtschaftsgebäude am Ende der Maiergasse. 1813 verkaufte er es an die Gemeinde, die es zu ihrem Schul- und Rathaus machte. Ab 1848 diente es nur noch als Schulhaus. 1969 wurde es abgerissen, und der Schulparkplatz entstand an dieser Stelle. Carl Philipp Plicksburg, der 1819 starb, war dreimal verheiratet. Die zweite Ehefrau Ursula verstarb 1790. Aus der Ehe gingen acht Kinder hervor, von denen alle im Säuglings- und Kindesalter starben. 1790 heiratete er 50-Jährig die 19-jährige Christine Scheifele. Diese überlebte ihn um 12 Jahre. Aus der Ehe gingen neun Kinder hervor, von denen 5 im Kleinkind- und Kindesalter starben. Das 18. Kind von insgesamt 22 Kindern war Johann Georg Plicksburg, der 1795 geboren wurde und später in Wäschenbeuren als Rentamtmann in die Fußstapfen seines Vaters trat. Peter Schührer