Gefangennahme im Gasthaus Wäscherschloss Polizeihauptmeister Albert Seemüller Hermann, Ginglseder, Seemüller, Bulling, Kirschbaum, Posselt-Böhm ... In Wäschenbeuren versahen früher Polizeibeamte im Amtshaus am Marktplatz – damals allgemein Forsthaus genannt – ihren Dienst. Seit 2004 gibt es keine Polizeidienststelle mehr in Wäschenbeuren, zuständig ist nun das Polizeiposten Rechberghausen. Einer von den Wäschenbeurener Polizisten der Nachkriegszeit war Albert Seemüller. Sein Sohn Harald hat mir von der Polizeiarbeit seines Vaters erzählt. 1972 ging er in Waiblingen in den Ruhestand, PHM Albert Seemüller, der in den 50er Jahren in Wäschenbeuren als Landjäger Dienst getan hatte. Von 1952 bis 1957 kümmerte er sich in unserer Gemeinde, zusammen mit dem Kollegen Walter Weber, um Sicherheit und Ordnung. Vierzig Jahre war er alt, als er in Wäschenbeuren seinen Dienst antrat. 1931 war der 19-jährige Kleinsachsenheimer zur damaligen Reichswehr, dem 100 000-Mann-Heer, gegangen, Auf einem Gang nach Stuttgart, auf der Suche nach Arbeit, hatte er in der Ludwigsburger Kaserne nachgefragt, ob man für ihn Verwendung hätte. Man hatte, und Soldat blieb er bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs. Er wurde auf den Kriegsschauplätzen in Ost und West eingesetzt und dabei zweimal verwundet. Als Stabsfeldwebel kam er aus dem Krieg zurück. Im November 1945 wurde er in Heilbronn bei der Landespolizei eingestellt. 1945/46 besuchte er den ersten Ausbildungslehrgang, den die Landespolizei nach dem Krieg in Stuttgart-Vaihingen durchführte. Zuerst tat er Dienst bei den Polizeiposten Brackenheim und Frankenbach. In Brackenheim, kurz nach dem Krieg, trugen die Polizisten noch keine Uniform, nur durch eine Armbinde unterschieden sie sich von der Zivilbevölkerung. Nach seiner Wäschenbeurener Zeit kam Albert Seemüller nach Waiblingen, wo er bis zu seiner Pensionierung im Bezirksdienst tätig war.Ich verwende hier die altertümliche Bezeichnung Landjäger, denn bis lang in die Nachkriegszeit hinein wurden die Polizisten so genannt. Das Landjägerkorps, ich entnehme die folgenden Informationen dem Prospekt des Polizeimuseums Heubach, entstand im Jahre 1823 im Königreich Württemberg. Die Landjäger wurden zuerst auf die größeren Städte und nach und nach auf die übrigen Städte und Gemeinden verteilt. Das Landjägerkorps wurde 1937 in Gendarmerie umbenannt und erhielt 1945 seinen heutigen Namen Landespolizei.Harald Seemüller, Jahrgang 1940, der gelegentlich mit seinem Vater auf Streife ging, hat einen spektakulären Fall hautnah mitbekommen. Die Familie hielt sich an einem Sonntag im Gasthaus Wäscherschloss auf, als ein Pärchen an die Theke trat und nach einer Unterkunft fragte. Albert Seemüller, auf die Beiden aufmerksam geworden, begab sich zum Postkartenständer auf der Theke, tat so, als ob er sich die Postkarten anschauen würde und musterte dabei die beiden Personen. Plötzlich trat er zu ihnen und sagte mit fester Stimme: „Hiermit nehme ich sie vorläufig fest. Sollten sie einen Fluchtversuch unternehmen, mache ich von meiner Dienstwaffe Gebrauch.“ Er zeigte ihnen seinen Dienstausweis, und die verdutzten Leute ließen sich festnehmen. Albert Seemüller war in Zivil und hatte natürlich auch keine Dienstwaffe dabei. Die Beiden leisteten keinen Widerstand und unternahmen keinen Fluchtversuch. Für den Abtransport der Festgenommenen hatte der Wäscherhofwirt Josef Kaißer zu sorgen. In seinem Mercedes nahmen neben dem Fahrer noch Polizist Seemüller, dessen Sohn und das Pärchen Platz. Die Ehefrau und der jüngere Bruder blieben auf dem Wäscherhof zurück. In seinem Dienstzimmer im Forsthaus verhörte der Landjäger zuerst den Mann. Sohn Harald musste im Wohnzimmer – er hatte dabei ziemlich Angst - im ersten Stock des Forsthauses auf die Frau aufpassen. An der Tür lehnend, behielt er sie im Auge. Die Frau fragte: „Darf man rauchen?“ Der Junge entgegnete, es seien keine Streichhölzer im Haus. Nach dem Verhör des Mannes wurde dieser in die Arrestzelle im Rathaus gesperrt. Dann kam der Polizist mit seiner Pistole ins Wohnzimmer und knallte die Waffe auf den Tisch. Die Frau fuhr erschreckt hoch und beteuerte, dass sie nichts angestellt habe. Sie wurde nach dem Verhör ebenfalls zur Arrestzelle gebracht, wo das Paar eine Nacht zubringen durfte. Am nächsten Morgen wurde es von der Göppinger Kriminalpolizei abgeholt. Albert Seemüller hatte das Pärchen auf einem Fahndungsblatt gesehen. Sohn Harald kann sich nicht erinnern, was den vom Vater Festgenommenen vorgeworfen wurde. Weitere Begebenheiten hat der Sohn in Erinnerung. Eines Nachts kam ein Motorradfahrer und meldete dem Polizeiposten, dass es auf dem Krettenhof brenne. Kurzerhand setzte sich der Polizist auf den Rücksitz und ließ sich von dem Motorradfahrer auf den Krettenhof kutschieren. Dort brannte das Bauernhaus Bühler. Nachdem die Familie geweckt war, die nichts bemerkt hatte, wurde die Feuerwehr alarmiert.Immer wieder war es Aufgabe des Polizeipostens, den „Hemann“ zu suchen. Der „Hemann“, der Wäschenbeurener Hermann Straub, übernachtete oft in Gartenhäusern und Feldscheuern. Wurde dieser einmal zwei Tage nicht gesichtet, galt es, alle Feldscheuern abzuklappern und nach dem „Vermissten“ zu fahnden. Es war ein ruhiges Leben, als Landjäger in Wäschenbeuren. Allzu viel passierte nicht. Bauern, die zwei Leiterwagen an den Bulldog in der Erntezeit angehängt hatten, waren zu tadeln. Das war verboten. Da galt es auch Radfahrer zu verwarnen, die ohne Licht fuhren, oder Kinder zu ermahnen, die zu zweit auf dem Fahrrad unterwegs waren. Sohn Harald wurde jedenfalls streng darauf hingewiesen, dass er nicht einen Freund aufs Rad nehmen durfte, nicht auf Gepäckträger, Stange oder Lenkstange. Bescheiden, geradezu spartanisch, war auch die Dienststelle im Forsthaus ausgestattet. Auf einem Bild, das Obermeister Karl Knoll aus Bartenbach, Polizeimeister Albert Seemüller und Wachtmeister Walter Weber im Wäschenbeurener Dienstzimmer zeigt, sind auf einfachen Tischen wenige Akten ausgebreitet. Eine Schreibmaschine, die im Zwei-Finger-System bedient wurde, ein Telefon und ein paar Schreibtischutensilien wie Locher und Löschpapierwiege vervollständigten die Ausstattung.Die Familie lebte im ersten Stock des Forsthauses. Das Zimmer mit dem Erker, in dem es heute um Kredite, Sparverträge und Zinsen geht, war das Wohnzimmer. Das Telefon im Wohnzimmer war ein Diensttelefon. Die Söhne meldeten sich, klingelte das Telefon und der Vater war nicht da, mit „Polizeiposten Wäschenbeuren“ und gaben Auskunft. Wenn Polizist Seemüller aus dem Hause ging, hinterließ er immer, wo er zu erreichen war. Verkehrslärm drang damals wenig herauf. Der Zengerle fuhr mehrmals am Tag mit seinem Bus vorbei, und die Fuhrwerke der Bauern, zunehmend von Traktoren gezogen, überquerten ratternd den Marktplatz. Im Hause lebte auch der Kollege, und ein Stockwerk höher die Familie von Heribert Stadelmaier. Ein Bad gab es selbstverständlich damals noch nicht, und zum Abort, ein „Plumpsklo“, ging es eine halbe Treppe hoch.Wenn der Vater vom Dienst kam, legte er seine Dienstmütze oben auf die Garderobe, schnallte sein Koppel ab, wickelte das Koppel um die Dienstpistole und legte diese ebenfalls auf die Garderobe, jederzeit zugänglich für die beiden halbwüchsigen Söhne, Die Söhne hätten nicht im Geringsten daran gedacht, die Pistole anzufassen. Heute ist es, sechzig Jahre später, undenkbar, eine Pistole oben auf der Garderobe zu verwahren! Peter Schührer