Am Freitag, dem 10.07.2020 wurden in der Seestraße zwei Stolpersteine für unsere ehemaligen Wäschenbeurener Mitbürger Eduard und Theresia Löwenthal verlegt. Die Gedenkfeier wurde von der Stolpersteininitiative Göppingen in Zusammenarbeit mit den Nachfahren von Eduard und Theresia Löwenthal durchgeführt, nachdem das Leben und die Verfolgung der beiden aufwendig recherchiert und zusammengetragen worden war. Unterstützt wurde die Durchführung der Veranstaltung durch die Gemeinde Wäschenbeuren. Stimmungsvoll und ergreifend untermalte Verena Zahn musikalisch die Verlegung. Der Künstler Gunter Demnig hat europaweit bereits über 75.000 der kleinen Gedenktafeln aus Messing verlegt. Er war angereist und hatte die eigens für Eduard und Theresia angefertigten Stolpersteine nahe des Brunnens in der Seestraße verlegt. Stellvertretend für die Gemeinde Wäschenbeuren begrüßte Herr Bürgermeister Vesenmaier die Familienangehörigen und die Anwesenden und bedankte sich bei Angelika Taudte und den anwesenden Nachfahren von Eduard und Theresia. Er erinnerte daran, dass schreckliche Ereignisse mit der Zeit immer mehr in Vergessenheit geraten und sich wie in der Natur das grüne Band des Schweigens oft über Unheilvolles ausbreitet. Stolpersteine sollen einen nicht zu Fall bringen, Stolpersteine sollen beim Betreten immer wieder die Schrecken der traurigen Geschichte in Erinnerung rufen und zugleich mahnen, dass so etwas nie wieder geschehen darf, so Herr Bürgermeister Vesenmaier. Herr Klaus Maier-Rubner stellte das Stolpersteinprojekt und die Stolpersteininitiative Göppingen vor. Die ehrenamtlichen Initiative hat sich bereits seit 2005 der Erinnerung an die Opfer des Nazi-Regimes im Landkreis Göppingen verschrieben und viele Schicksale recherchiert. So wurden bereits über 100 Stolpersteine im Kreis Göppingen verlegt. Anschließend trugen die Urenkelinnen Sabine Erhardt, Julia Löwenthal und Sarah Löwenthal biographische Ausschnitte des Lebens von Eduards und Theresia Löwenthal vor: Eduard wurde am 06.05.1899 in Pirmasens geboren und war gelernter Schuhmacher. Am 09.11.1929 heiratete er die katholische Theresia Deibele aus Wäschenbeuren. Die Familie bekam drei Kinder: Walter, Pia und Raimund und lebte seit 1930 in Wäschenbeuren in der damaligen Wettegasse in ärmlichen Verhältnissen. Eduard wollte sich in Wäschenbeuren als Schuhmacher niederlassen. Jedoch wurde ihm dies verwehrt, da zuerst „Einheimische berücksichtigt werden mussten“. Auf Grund eines nach innen wachsenden Kropfes und der dadurch von Jahr zu Jahr mehr erschwerten Atmung war Eduard immer wieder arbeitsunfähig, hatte jedoch laufend Beschäftigungen bei der Gemeinde Wäschenbeuren, dem jüdischen Friedhof und auch bei größeren Firmen in Göppingen. Am Abend des 14.06.1938 wurde Eduard ohne jegliche vorherige Ankündigung vom damaligen Polizeimeister Strohm zu Hause abgeholt und auf das Rathaus in Wäschenbeuren, später nach Göppingen gebracht. Nach ca. 10 Tagen bekam Theresia von Eduard die Nachricht: „Bin gesund befinde mich in Dachau: Lebe Wohl“. Am 23./24.09.1938 wurde Eduard in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Nachdem ihr Ehemann deportiert worden war, war Theresia Löwenthal in ärmlichsten Verhältnissen allein mit drei kleinen Kindern im Ungewissen zurückgeblieben. Theresia schrieb mehrmals an die Verwaltungsstelle des KZs Buchenwald und kämpfte um Auskunft .Emotional sehr ergreifend war der Vorlesung einer der Briefe Theresias an die Verwaltungsstelle des KZs. Eduard musste in Buchenwald als „Steineträger“ Schwerstarbeit im Steinbruch leisten.Nach etwas weniger als 32 Monaten im Konzentrationslagern verstarb Eduard am 20.01.1941 mit knapp 42 Jahren im Krankenrevier des KZs. Als Todesursache wurde eine angebliche Herz- und Kreislaufschwäche angegeben. Um das Überleben ihrer Kinder zu sichern, arbeitete Theresia später als Putz- und Waschfrau bei der Familie Strohm, dessen Oberhaupt ihren Mann ins KZ gebracht hatte. Nach dem Bombenangriff auf Wäschenbeuren am 19.04.1945 hatte Theresia ihr ganzes Hab und Gut verloren. Im Wiedergutmachungsverfahren von 1952 musste Sie dann auch noch für eine Anerkennung der Deportation und Ermordung ihres Mannes kämpfen. Jedoch sagten mehrere Zeugen für die Deportation Eduards auf Grund seiner Rasse aus und widerlegten die widerwärtigen Aussagen Strohms. Zum Schluss stellten die Urenkelinnen einen Bezug zu aktuellen politischen Geschehnissen her: Zwar wäre Hitlers Regime gestürzt, doch dessen hasserfülltes Gedankengut lebe bis heute in den Köpfen von Einigen, manchmal habe man das Gefühl von Vielen weiter. Neben dem deutlichen Anstieg der rassistischen Straftaten in Deutschland gäbe es auch Probleme mit strukturellem Rassismus, wie wir sie in der Diskussion um die KSK Eliteeinheit der Bundeswehr sehen. Aufgezählt wurden aktuelle Ereignisse, die Sie erschüttern ließen: Der Tod von George Floyd als trauriger Höhepunkt rassistischer Polizeigewalt in den USA. Der ermordete Kassler Regierungspräsident Walter Lübcke, der von einem Rechtsextremen erschossen wurde. Der rechtsextremistische Terroranschlag auf die Synagoge in Halle, der Anschlag in Hanau mit 10 Getöteten. Sie denke angesichts dieser aktuellen rechtsextremen Terroranschläge an den Terror des NSU. Entsetzlich sei es, dass bei den sogenannten Corona Demonstrationen teilweise abstruse judenfeindliche und antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet werden. Deshalb riefen die Urenkelinnen dazu auf: „Wir empfinden es als unsere Verantwortung im Gedenken an das was Viele unserer Vorfahren erleiden mussten, gegen all das Unrecht unserer heutigen Welt vorzugehen. Wie Frank-Walter Steinmeier erst kürzlich sagte: „Es reicht nicht aus, Kein Rassist zu sein. Wir müssen Antirassisten sein! Deshalb lasst uns heute hier zusammen stehen. Im Gedenken und gegen das Vergessen. Lasst uns alle gemeinsam kämpfen gegen Rassismus, Volksverhetzung und den Hass! Lasst uns niemals schweigen, wenn Einzelne von Vielen angegriffen werden. Lasst uns niemals schweigen, wenn jemand auf Grund seiner Herkunft, seiner Religion, seiner Hautfarbe seiner sexuellen Orientierung oder seines Geschlechtes diskriminiert wird. Denn der Hass wird Erfolg haben, wenn die Mehrheit schweigen wird. Lasst uns alle gemeinsam für eine freie und friedliche Welt kämpfen, in der jedes Menschenleben gleich viel wert ist. Lasst uns dazu die Gaben verwenden, die unseren Gegnern nicht zur Verfügung stehen: Liebe, Mitgefühl, Verstand und Zusammenhalt.“ Dies seien wir alle den Opfern des 2. Weltkrieges wie ihrem Urgroßvater Eduard Löwenthal schuldig. Nie wieder solle auch nur ein einzelner Mensch das erleben müssen, was ihren Vorfahren und vielen anderen widerfahren sei. Die Urenkelinnen enthüllten abschließend die Stolpersteine, die mit einem stilvollen Blumengesteck mit roten und weißen Nelken geschmückt waren, welches von der Gärtnerei Kaißer gespendet worden war. Zuletzt drückten sie ihren tiefen Dank an die Stolpersteininitiative Göppingen, insbesondere Angelika Taudte aus; sowie an alle, die bei der Organisation, der Recherche, bei der Verlegung selbst oder mit Spenden das Vorhaben unterstützt haben.